Ich liebe die Arbeit mit den Kids, anstrengend wie sie manchmal auch sein mag – es sind die kleinen Momente, die alles wettmachen. Gestern Nachmittag beispielsweise lief ich während der study time herum und schaute, wo noch Hilfe gebraucht wird, da nahm Norden einfach so out of the blue meinen Arm und meinte: „Uncle … you win my heart.“ Wie soll ich mich da nicht zu Hause fühlen können? Aber natürlich hat das Land an sich einfach unglaublich viel zu bieten; und da das Erdbeben im vergangenen Jahr auch fast alle meine Reisepläne zunichte machte, freue ich mich sehr über den Besuch meiner lieben Freundin und Kollegin Sophie, die für zehn Tage in Nepal ist, und die Chance, mit ihr, Bekka und Nessi das Land ein bisschen zu erkunden. Ich freue mich auf ein bisschen Abwechslung und darauf, noch weiter in die Kultur einzutauchen und meine Liebe zu Nepal sogar noch zu vergrößern.
Raj Kumar, der jüngere Bruder unseres verstorbenen Gokuls, hat dessen Reisebüro übernommen. Er hat noch ein paar Anlaufschwierigkeiten, ist aber redlich bemüht, und er hat für uns vier eine einwöchige Reise geplant – und im Nachhinein müssen wir auch sagen, dass er das hervorragend gemacht und alles reibungslos geklappt hat. Ich hoffe, ich langweile euch nicht mit dem nun folgenden Urlaubsbericht, aber ich hoffe, ihr habt Freude an den vielen Fotos, und wer weiß – vielleicht weckt dieser Eintrag in dem ein oder anderen ja ebenfalls ein bisschen Reiselust. Ein Besuch in Nepal ist es allemal wert!
Tag 1: Rafting
Bereits im vergangenen Jahr war ich mit Leo, Lukas und Gwen auf dem Trishuli raften, was ungeheuren Spaß gemacht hat, daher freue ich mich auf die Wiederholung. Und ich muss sogar sagen: Das Abenteuer vom letzten Jahr wird sogar noch getoppt! Auf dem Weg in den Chitwan Nationalpark werden wir direkt am Flussufer ausgesetzt und von zwei Rafting Guides in Empfang genommen. Mit insgesamt zwei Schlauchbooten brechen wir auf (bei uns sitzen noch ein junger Amerikaner mit einem Kumpel, der halber Ami/halber Japaner ist und in Tokio lebt sowie dessen Kumpel aus Japan; außerdem ein junges indisches Paar, das allerdings nach nicht so langer Zeit aussteigt und den größten Spaß verpasst; das andere Boot ist gefüllt mit einer nepalesischen Studentengruppe, ausschließlich Jungs). Es ist eine gelungene Abwechslung zwischen ruhigeren Abschnitten und den doch fast schon Nervenkitzel erzeugenden Stromschnellen, die von Mal zu Mal heftiger werden. Den Japaner zieht es insgesamt drei Mal aus dem Boot; beim dritten Mal fliegt er sogar auf die andere Seite und zieht seine beiden Freunde mit ins Wasser (und verliert seine Hose). Zwischendurch dürfen wir auch einfach ins Wasser springen und uns von der Strömung mitziehen lassen (natürlich in einem Abschnitt ohne Schnellen), und kurz vor Ende machen wir halt und erklimmen eine Klippe, von der wir runterspringen dürfen, bestimmt 7 bis 8 Meter hoch. Bekka und Nessi sind die beiden letzten Springer, müssen aber ewig warten, weil der Nepalese vor ihnen gefühlte zehn Minuten braucht, bis er sich endlich traut. Zurück im Boot stellen wir fest, dass unser Guide einfach weggeschwommen ist und wie Arielle in der Ferne auf einem Felsen liegt und uns die nächsten Schnellen allein bewältigen lässt. Er versichert uns aber später, dass er so etwas nicht macht, wenn er es der Gruppe nicht zutraut; kritischer ist es vor allem bei Indern, Nepalesen und Chinesen, die sind weitaus größere Schisser (und können vor allem größtenteils nicht schwimmen). Vor den letzten Stromschnellen erklärt er uns, dass wir den chicken way oder den tiger way nehmen können – wobei beim Letzteren die Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Boot umkippt. Aber sowas braucht man sieben sportlichen Abenteurern nicht sagen, und natürlich wollen wir’s wissen … Ich muss dazu sagen, dass die Schnellen am Anfang gar nicht so heftig wirken, die Wellen aber wie aus dem Nichts plötzlich sehr hoch werden. Ich glaube auch, dass der Guide das Kippen des Bootes ein wenig forciert, aber wir haben ja alle großen Spaß dabei, allerdings auch einen kleinen Schreckensmoment, denn als ich auftauche und mich am Boot festhalten will, kommt die nächste Welle und zieht mich direkt unter das Boot. Die Strömung ist heftig und trotz Schwimmweste komme ich bestimmt gut zehn Sekunden nicht wieder über Wasser, was natürlich keineswegs lebensgefährlich ist, aber in so einem Augenblick tritt trotzdem ein bisschen Atemnot und innere Unruhe ein, und als ich endlich wieder auftauche, muss ich knallrot sein (berichtet jedenfalls Bekka, neben der ich aus dem Wasser hochkomme). Schnell zieht der Guide mich aufs inzwischen wieder umgedrehte Boot, aber ich versichere ihm, alles sei in Ordnung, und ich kann auch sofort darüber lachen – außerdem wollte ich doch Abenteuer. :) Belohnt werden wir mit einem köstlichen Dal Bhat, ehe wir in einen Touristenbus Richtung Chitwan gesetzt werden. Baustellen verlangsamen die Fahrt sehr stark, und wir kommen erst gegen 20 Uhr in unserem gemütlichen Hotel an, wo wir sofort verköstigt werden.
Tag 2 und 3: Chitwan Nationalpark
Für die beiden Tage in Chitwan wird uns vom Hotel ein Guide zur Verfügung stellt, der uns bei allen Aktivitäten begleitet. Das Tagesprogramm ist vollgepackt und straff – auch müssen wir ziemlich früh aufstehen (kaum später als hier in Kathmandu, wenn wir mit den Kids lernen), aber in der Mittagshitze in den Dschungel wollen wir natürlich auch nicht. Wir beginnen mit einer ruhigen Kanufahrt, die trotzdem sehr aufregend ist, denn die Krokodile lauern nur wenige Meter von uns entfernt im Wasser – teils sieht man sie ganz, teils ragen nur die Augen aus dem Wasser. Zwei Arten gibt es hier: Das äußerst aggressive Sumpfkrokodil, dem man besser nicht zu nahe kommt. Erst vor einer Woche ist ein Junge beim Fischen geschnappt worden: Seinen abgetrennten Kopf und einige Knochenüberreste fand man 40 Kilometer flussaufwärts. Die andere Art, der Gharial, ist ein Fischfresser und durch die extrem schmale Schnauze auch kaum zu mehr imstande; er ist außerdem vom Aussterben bedroht, weshalb hier im Park eine Zuchtstation eingerichtet wurde, die wir am Nachmittag besuchen. Vorerst jedoch laufen wir nach Fahrtende zur Elefantenzuchtstation und machen dann eine kleine Wanderung durch den Dschungel. Natürlich gibt es abgesteckte Wege und wir müssen uns nicht mit einer Machete durchs Gebüsch kämpfen; auch ist der hiesige Dschungel nicht vergleichbar mit den Regenwäldern, die man aus Filmen kennt, bietet aber eine wunderschöne und abwechslungsreiche Landschaft von Sümpfen, Waldgebieten und grünen Lichtungen bis zu Elefantengras so weit das Auge reicht. Klickt euch durch die Fotos für nähere Infos.
Wir können uns mittags nur eine kurze Verschnaufpause gönnen, da geht es schon weiter – diesmal nehmen wir den Jeep und fahren noch tiefer in den Dschungel. Die erste halbe Stunde sehen wir nichts außer Elefantengras zu beiden Seiten, obwohl es gerade einmal 7% des gesamten Parks ausmacht. Sind mal Tiere zu sehen (ob nun Rehe, Eidechsen oder sogar ein grasendes Panzernashorn), wird natürlich scharf gebremst. Inklusive des Stopps bei der Gharial-Zuchtstation sind wir gute fünf Stunden unterwegs; es ist heiß und anstrengend, insbesondere die zweistündige Rückfahrt, auf der so gut wie keine Tiere mehr zu sehen sind. Ich mag aber auch nicht meckern, weil es ein krasses Gefühl ist, so mitten in der Natur zu sein (trotz Jeeps) und allein die Geräuschkulisse auf mich wirken zu lassen.
Wir sind geschlaucht vom Klima und den vielen Eindrücken, aber noch ist der Tag nicht zu Ende. Am Abend besuchen wir eine einstündige kulturelle Tanzveranstaltung der Tharu, einer dort ansässigen Volksgruppierung. Besonders schön sind auch die Ansagen der Moderatorin, bei denen wir uns immer gegenseitig fragend anschauen, weil wir kaum ein Wort verstehen. :) An sich aber ein nettes, sehr kurzweiliges Programm.
Tags drauf geht es gleich morgens ans Flussufer zum Elefantenbaden. Andere Praktikanten hatten uns schon mitgeteilt, dass sie das nicht wollten, weil sie darin Quälerei sahen – und wieder einmal kann ich es nicht beurteilen. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Tiere misshandelt werden, und sehe nicht so viele Unterschiede zu dem, was man bei der Pferdezucht in Deutschland mitbekommt. Insofern genieße ich das kühle Nass, auch wenn es ein komisches Gefühl ist, die gefährlichen Sumpfkrokodile in unmittelbarer Nähe zu wissen, die aber natürlich niemals einen Angriff auf die ihnen überlegenden Elefanten starten würden.
Auch den Nachmittag verbringen wir mit diesen wunderschönen Tieren und wagen einen Elefantenritt in den Dschungel. Anders als bei der Fahrt mit dem Jeep kommen wir den Tieren viel, viel näher.
Abends gibt es dann noch einen kleinen Abstecher in ein Tharu village. Unser Guide hat es als „Museumsbesuch“ betitelt, was leicht übertrieben ist, denn es gibt nur einen kleinen Raum mit ein paar klassischen Haushaltsgegenständen, die er uns erläutert. Ansonsten laufen wir nur durch das Dorf, erfreuen uns an den Hühner- und Entenküken und Babyziegen und hegen tiefe Bewunderung für das schlichte Leben, das diese Menschen führen – und stellen uns gleichzeitig die Frage, ob wir zu so etwas bereit und auch imstande wären. Jedenfalls ein denkwürdiger Abschluss eines tollen Ausflugs in die pure Natur des Landes.
Tag 4 und 5: Pokhara
Da ich im vergangenen Jahr bereits in Pokhara war und über die klassischen Touri-Aktivitäten ausführlich berichtet habe, sei nur gesagt, dass wir anderthalb ausgiebig entspannte Tage in dieser tollen Stadt verlebt haben – wir waren uns sogar einig, dass wir in der Planung noch einen Tag länger hätten angeben sollen. Pokhara ist nicht umsonst der Touristenmagnet schlechthin und hat sich nach den schwierigen Monaten infolge des Erdbebens auch wieder einigermaßen rehabilitiert. Leider ist der Himmel beim Stupa-Besuch sehr bewölkt und verwehrt uns jeglichen Blick auf die Berge, als wir nachmittags jedoch mit dem Tretboot auf dem Phewa-See unterwegs sind und baden, reißt die Wolkendecke endlich auf und gönnt uns einen wunderschönen Blick auf das Annapurna-Himalaya mit den schneebedeckten Spitzen, die bis in den Himmel ragen.
Tag 6 und 7: Nagarkot
Wir schließen die Reise ab mit einer anstrengenden, fast zehnstündigen Rückfahrt nach Kathmandu, wo uns Raj Kumar persönlich abholt und in seinem Wagen nach Nagarkot bringt – von dort stammt er, und er hat uns in einem supergemütlichen Hotel einquartiert, das aus Blockhütten besteht, damit wir am nächsten Morgen den Sonnenaufgang beobachten können.
Ich bin einfach begeistert – die Natur, die Kultur, die Mentalität des Landes sind einfach atemberaubend. Müde und geschafft erreichen wir schließlich Dhapasi und erfreuen uns an der vergangenen Woche. Aber ich muss auch gestehen: Als die Kids nachmittags aus der Schule kommen und mir Janak und Bishal mit offenen Armen entgegenstürmen und ausrufen: „Uncle, you are back!“, geht mir das Herz auf und ich freue mich mindestens genauso, wieder zu Hause zu sein.
Kommentar schreiben
Cordel (Mittwoch, 18 Mai 2016 17:41)
Mir geht wie immer bei deinen Berichten das Herz auf
Gabi (Mittwoch, 18 Mai 2016 21:39)
Schöööön - danke, Ben!
Mama (Mittwoch, 18 Mai 2016 23:08)
Das waren bestimmt tolle Tage - wäre trotz meines Alters gern dabei gewesen!
Danke für den Bericht.